dem Rost gehts an den Kragen

Der chaotische Hauptfaden

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Hausmeister
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Registriert: So 11. Aug 2013, 20:24

Re: dem Rost gehts an den Kragen

Beitrag von Hausmeister »

Welche Spannung?
Deimos
Beiträge: 212
Registriert: Mo 12. Aug 2013, 21:38

Re: dem Rost gehts an den Kragen

Beitrag von Deimos »

Moin,

Beizen / Entrosten wird in der Industrie für C-Stähle (schwarze Stähle) primär mit Salz-, Schwefel-, und seltener Phosphorsäure realisiert. Es gibt auch Fälle wo mit z.B. Zitronensäure gearbeitet wird, ist aber eher unüblich da die Abtragsgeschwindigkeit im Vergleich zu HCL, H2SO4 und H3PO4 um einiges geringer ist. Es gibt auch Mischsäurebeizen, hier ist aber die Aufbereitung und Reinigung der Beize aufwändiger als bei einer "Rein"stoffbeize.
Die Bäder werden in aller Regel beheizt um die Reaktivität zu erhöhen, bis zu 70°C sind hier Säureabhängig die Zieltemperatur. Der Limitierende Faktor bei der Temperaturwahl ist die Flüchtigkeit der Beize. In den Hallen wo die Durchlaufbeizen (gerade HCL Beizen) stehen ist trotz Abluftwäschern ALLES! verrrostet, respektive angegriffen.

Konzentrationen:
HCL 15 - 20%
H2SO4 20 - 30%
H3PO4 10 -20%

Wichtig ist, das den Beizen Beizinhibitoren zugesetzt werden, welche den Abtrag des Basismetalls reduzieren, dazu gibt es viele kommerzielle Produkte am Markt, die "einfach" prozentual beigemischt werden (Dosierung per Teststreifen oder Automatischer Beimischung)
http://www.ritter-chemie.com/de/beizinhibitoren ist einer der Hersteller.

Prozessablauf (grob):
Entfetten -> Spülen -> Beizen -> Spülen -> Neutralisation -> (Spülen) -> Trocknen -> Nachbearbeitung (besäumen)

Nach dem Beizen folgt je nach Prozessführung die erste Spülung (Wasser um die Säurereste zu verdünnen), danach wird mit Neutralisationslösung (billig NaOH, meistens kommerzielle Produkte) gespült welche die Säurereste neutralisiert, und je nach Wahl der Neutralisationslösung auch die Oberfläche passiviert. Danach erfolgt das trocknen / weiterverarbeiten, oder die Nachbearbeitung nach Kundenwunsch (einschlagen in Korrosionsschutzpapier/Folie, beölen oder anderen Verfahren).

Es gibt auch Laugenbeizen für C-Stahl, welche Verfahrensbedingt die Neutra-Stufe nicht in dem Umfang benötigen. Die sind jedoch sehr selten im Vergleich zu den Säurebeizen und langsamer, vulgo teurer.


Edelstähle werden mit deutlich amüsanteren Beizen behandelt. Meistens sind es Mischungen aus HNO3 und HF in veränderlichen Konzentrationen. HNO3 bis zu 30%, und HF bis zu 10% sind gängig, die Bäder liegen Konzentrationstechnisch meistens niedriger. Auch hier wird die Aktivität durch beheizte Bäder erhöht, der restliche Verfahrensablauf ist analog der C-Stahlbeize.


Zusammenfassung auf Fricklerniveau für "effektive" Entrostung (Selbst mehrfach erfolgreich Durchgeführt):
Wer das nachmacht, tut dies auf eigene Gefahr, ohne Erfolgsgarantie und ist selbst Schuld wenn er hinter wie der Joker aus Batman aussieht.

PSA und Material:
- Handschuhe Säurefest
- Gummischürze
- passende Schuhe
- Schutzbrille / Gesichtsschutz
- Maske + Filter ABEK
- Plastikwannen (Euroboxen funktionieren super)
- Tauchsieder Edelstahl
- Thermometer
- Zangen aus Edelstahl
- Salzsäure
- Natronlauge
- Wasser
- Neutralseife
- PH Papier
- Bremsenreiniger
- Pinsel oder Bürste

Durchführung:
Hinweis: MACHT DAS AUF JEDEN FALL DRAUßEN ODER UNTER ABLUFT!
Die entstehenden Dämpfe sind nicht gesund, und fressen alles an.
PSA anlegen!

- Salzsäurelösung 20% ansetzen (Vorsicht Hitzentwicklung, Spritzer, etc.)
- NaOH Lösung ansetzten 5%
- Die zu beizenden Teile entfetten (Bremsenreiniger)
- Eine kleinere Kunststoffwanne in eine größere welche als Containement dient reinstellen
- Eine weitere große Wanne mit Wasser füllen (Spülbad 1)
- Eine weitere große Wanne mit Wasser füllen (Spülbad 2)
- Eine weitere große Wanne mit NaOH füllen (Neutrabad)
- Säure in die kleinere Wanne einfüllen, Tausieder so befestigen, das er nicht die Wand des inneren Behälters anschmoren kann
- Säurebad unter rühren auf die Zieltemperatur von 50°C bringen, Tausieder raus aus dem Bad
- Die zu entfetteten Teile mit der Zange in das Bad legen, und das Bad in Bewegung halten (Man kann die Lösung auch in einem Ultraschallreiniger ansetzen, die Reinigungswirkung ist Phantastisch)
- Die sich lösenden Rost/Korrosionsprodukte mit Bürste und Pinsel entfernen
- Solange wiederholen bis das gewünschte Ergebnis erreicht ist
- Spülbad 1, die Teile (am besten mit deionisiertem Wasser) spülen
- Die Teile in das Neutrabad legen und bewegen das alles überspült ist
- Spülbad 2, die Teile wieder(am besten mit deionisiertem Wasser) spülen
- PH-Wert am Teil prüfen (sollte Neutral sein), wenn nicht das Spülen wiederholen
- Teil trocken (man kann in einem weiteren Schritt das Teil mit einer gering konzentrierten Phosphorsäurelösung passivieren)
- Beize und Neutrabad kann man je nach Sättigungsgrad wiederverwenden, und lassen sich bei der Konzentration problemlos in geeigneten Plastikkanistern lagern

Ansonsten alles gut mit Wasser abspülen, Säure mit Lauge neutralisieren und entsorgen / oder an der Gefahrstoffsammelstelle abgeben.

Und ja, es ist das industrielle Verfahren auf Küchentischniveau, funktioniert dafür aber auch Problemlos. Vorteil gegenüber der reinen Phosphorsäure / Zitronensäurevariante ist, das man keine Flake / "Schlamm"bildung direkt am Teil hat. Auch die Verfärbung ist um einigers geringer.
(Vielleicht sollte man den Nachbarn vorher Bescheid sagen was man da macht, BEVOR die einem nen SEK auf den Hals hetzen wenn man a la Breaking Bad im Garten steht :)

Grüße
Deimos
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Smily
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Re: dem Rost gehts an den Kragen

Beitrag von Smily »

Ich habe auch schon des öfteren mit strom entrostet.

Der ganze aufbau war ziemlich banane.

Alten Metalltopf, dieses mit einer Mischung aus wasser und Klorix (4/3 kloix) zusammengerührt.
Masse an den Topf und Plus an das Werkstück und selbiges an was nicht leitendem mittig in die suppe hängen.

Igor kam aus nem 8A Bleiakkuladegerät mit in reihe geklemmter H4 birne gegen kurzschluss.

Das hat anständig funktioniert!

Ein Hinweis, machs draußen oder in nen seeeehr gut belüfteten raum.
Die gase die da aufsteigen beißen sehr, und sind bestimmt alles andere als gesund.

Nach einer weile wird die brühe dann auch brutal Heiß. Und sieh zu, dass du die klemme am werkstück sehr massiv wählst. Die verschwindet nämlich mit!
Eine klemme von den billigen krokokabeln war nach 10 minuten nicht mehr aufzufinden.
Phyro
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Re: dem Rost gehts an den Kragen

Beitrag von Phyro »

Klorix plus Elektrolyse? Da dürfte Chlor bei rauskommen. _Richtig_ gut auf Entlüftung achten, mit dem Kram ist nicht zu spaßen!
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Julez
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Re: dem Rost gehts an den Kragen

Beitrag von Julez »

Hausmeister hat geschrieben:Welche Spannung?
Bei 1A stellten sich 4-6V ein, später dann an 6A waren es ca 26V.
berlinerbaer
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Re: dem Rost gehts an den Kragen

Beitrag von berlinerbaer »

Smily hat geschrieben:Alten Metalltopf, dieses mit einer Mischung aus wasser und Klorix (4/3 kloix) zusammengerührt.
Kampfgas-Synthese beim elektrolytischen entrosten ist wirklich Keine Gute Idee™ .

Um das Wasser leitfähig zu machen, gibt es eine reichhaltige Auswahl an Möglichkeiten ohne Chlor-Ionen: Natron, Backpulver, Natron- oder Kali-Lauge...

Auf das entstehende Knallgas sollte man auch ein Auge haben.
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Smily
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Re: dem Rost gehts an den Kragen

Beitrag von Smily »

Hmmm. Dann hätte ich mal besser die gase aufgefangen und für spätere nutzung aufbewahren sollen...
Nun ja.
Hat aber hervorragend funktioniert!

Eventuell , wenn jemand andere Erfahrungen hat die weniger tödlich sind, diese mal hier publizieren mit einer deppensicheren Anleitung?
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