HF-Übertragermessungen mit dem (Nano) VNA

Der chaotische Hauptfaden

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Harry02
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HF-Übertragermessungen mit dem (Nano) VNA

Beitrag von Harry02 »

Moin,

Bis vor etwa 1-2 Jahren mussten Bastler wie ich ihre Antennen und BalUns manuell "durchkurbeln". Also mit dem TRX eine beliebige Leistung generieren und eben ab 1,8MHz durchkurbeln. Am Zeiger-SWR Meter abgelesen (früher zwei in Reihe, weil man nicht wusste, welchem man trauen kann) und in eine Excel-Tabelle eingetragen.
Beim Abstimmen von Mehrbandantennen reichen natütlich die Resonanzpunkte.

Nunja, ich wollte mal ein paar "Messideen" mit dem 35€ NanoVNA zeigen.

Der verdient auch eigentlich noch einen eigenen Thread (das Thema NanoVNA vs. NanoVNA2 bzw. Synonym zu SAA2 (bis 3GHz) wollte ich hier etwas raushalten).

Als erstes zu sehen ist ein auf einem Pollin-Ferritringkern gewickelter 1:1 Strombalun alias Mantelwellensperre alias common mode choke alias Gleichtaktdrossel.
Die gelbe Kurve zeigt den SWR Verlauf, die grüne ist ein Smith-Chart. Die könnte man ausschalten, aber dann sieht man den dazugehörigen Cursorwert für die Impedanz nicht mehr. Der Cursor steht auf dem SWR 2.0 Punkt, der hier bei etwa 1MHz liegt mit 1dB Dämpfung. Mit kleinerem Frequenz-Span würde es genauer.
Common mode choke
Common mode choke
Gewickelt mit RG316, der Doppelkern hat keine höhere Bedeutung, das Kabel war nur zu kurz, um 4 Toroidspulen damit zu wickeln. Innen und Außenleiter sind für diesen Test vertauscht, um die untere Grenzfrequenz für die Verwendung in einem 50 Ohm System zu bestimmen. Wenn man den Balun am Spannungsbauch, also Ende eines Strahlers einsetzt (z. B. bei einem Koax-/Ärmeldipol -> https://www.fingers-welt.de/wiki/index. ... alantennen), müsste man die Grenzfrequenz natürlich auch bei 3-6kOhm ermitteln.
Die Lila Kurve zeigt die Phasenverschiebung, die um 180 grad (plus Kabellänge bei den höheren Frequenzen) liegt. Der Sprung der Kurve hat keine Bedeutung: Die Skala geht nur von -180 bis +180, nach mehr als 180 grad muss der Funktionswert nur einfach wieder ans andere Ende.
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Als nächstes gibts einen T68-2 Eisenpulverkern mit 10 Windungen Zweidrahtleitung, als 1:4 UnUn geschaltet und mit induktionsfreien 200 Ohm abgeschlossen. Zu sehen ist das SWR von 50kHz bis 200MHz als gelbe Kurve und eine Smith-Kurve in grün, die über den Cursor die Impedanz verrät.
T68-2 1:4
T68-2 1:4
(Der CH1 Port (Empfänger für die Through-Messung) ist unbelegt, ich greife dort nur GND ab)
Die untere SWR 2.0 Frequenz beträgt etwa 22MHz und die obere bei etwa 100MHz.

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Nach dem Motto "schlimmer geht immer" hier ein fake T68-2 aus China, zu erkennen am zu hellen Rotton.
Fake T68-2 1:4
Fake T68-2 1:4
Man sieht, dass das SWR nie unter 2 kommt. Gütemessungen ergaben wohl Q=5 bei 20MHz (Original hat Q=200).

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Hier auch ein 1:4 UnUn mit 10 Windungen, aber auf einem Ferritkern, von Pollin.
Pollin Kern 1:4
Pollin Kern 1:4
Der Vergleichbarkeit wegen erstmal auch wieder bis 200MHz. Man sieht, obenraus wird das Kernunabhängig kacke, die Leitungsimpedanz ist einfach nicht optimal und die Leitung wird zu lang.

Hier nochmal bis 100MHz mit dem Marker bei 2MHz.
Pollin Kern 1:4
Pollin Kern 1:4
Das Fazit aus dem Vergleich ist, dass Eisenpulverkerne als Breitbandtransformatoren ungeeignet sind.

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Hier zu sehen ist eine "back to back" Messung von zwei 1:4 UnUns auf den selben Ferritkernen mit je 11 Windungen. Die blaue Kurve zeigt die Durchgangsdämpfung in dB, die lila Kurve (Phasenverschiebung) hätte man auch ausschalten können da unrelevant.
Back to back 1:4
Back to back 1:4
Die untere SWR 2.0 Grenzfrequenz liegt quasi im 40m Band bzw knapp darunter. Die Dämpfung bei 7MHz beträgt ca 1,7dB.
Bei diesem einfachen Test gilt Ferdis Hinweis: Besser wird die Messung mit einem 200 Ohm Dämpfungsglied bekannter Dämpfung zwischen beiden Übertragern. Dann wird auch ein plausiblerer SWR-Verlauf um 100MHz rauskommen - im Einzeltest sah man ja, dass der 1:4 dann nicht mehr auf genau 200Ohm transformiert. Was bei 2 gegeneinander geschalteten Übertragern ohne Abschlusswiderstand/Dämpfungsglied in der Mitte nicht auffällt.

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Weitere Bilder folgen, wenn ich mal wieder Breitbandübertrager teste.
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Durango
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Re: HF-Übertragermessungen mit dem (Nano) VNA

Beitrag von Durango »

Hier sehen wir 4 unterschiedliche Erfahrungsberichte, was ist die eigentliche Frage ?

Ausgestattet mit einem HP8753C und einem R&S ZNB8 möchte ich gern die Eigenschaften diverser Kerne bei voller TX-Leistung sehen.

Aber schon seit 1980 will kein Hersteller die maximale Sättigung der Kerne rausrücken.
Da bleibt nur der Blindflug oder selbst ausmessen .

Jedenfalls,wenn man sich auf Kerne verlässt, sollte die maximale Sättigung bekannt unnd berücksichtig werden.

73 Manfred
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ferdimh
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Re: HF-Übertragermessungen mit dem (Nano) VNA

Beitrag von ferdimh »

Die fraglichen Flußdichten sind im KW-Bereich so gering, dass man um Zehnerpotenzen von der Sättigung weg ist. Lange bevor das zuschägt, fängt der Kern wegen Verlusten an zu brennen.
Das gilt erst recht für chronisch verlustbehaftete Eisenpulverkerne mit sogenannten hohen Güten.
Die Güte ist ja eine Aussage über das VERHÄLTNIS von induktivem zu ohmschem Widerstand. Der induktive Anteil verhunzt nur die Anpassung, der ohmsche macht warm. Wenn der Kern jetzt bei einer gegebenen Frequenz eine hohe Güte hat, ist das eine Aussage, dass der induktive Anteil hier dominiert und keine Aussage darüber, wie groß der Gesamtbetrag ist.
Der Eisenpulverkern hat mit seinem prinzipbedingt eingebauten Luftspalt eben eine niedrige Induktivität, dadurch dominiert der induktive Anteil und die Güte ist hoch.
Aber ist das überhaupt, was wir in einem Übertrager wollen?
Ich behaupte mal dreist: nein. Wir wollen, dass die Gesamtimpedanz, die parallel zur Quelle liegt, möglichst hoch ist. Der Eisenpulverkern wird dann interessant, wenn seine Fähigkeit, hohe Gleichströme zu ertragen, ohne in Sättigung zu gehen, gefordert ist.
Ringbandkerne und eingeschränkt auch Leistungsferritkerne liefern deutlich mehr Induktivität pro Windung, so dass teilweise schon ab 100 kHz der ohmsche Anteil dominiert (also Q<1). Dennoch sind die Gesamtverluste am Ende meiner Erfahrung nach deutlich geringer und das Kunstwerk ist über einen breiteren Frequenzbereich einsetzbar. Bei den von mir getesteten Kernen hatte eine Windung immer ziemlich genau 100Ω (2 dann entsprechend 400Ω usw).
Gleichzeitig werden sättigungskritische Flussdichten auf KW erst bei deutlich über 100Veff/Windung (je nach Kerngröße; mein Einheitstestkern hat AußenxInnenxBreite 55x40x20mm) erreicht. Bei einem 1:1-Balun mit 5 Windungen (wo also nur die halbe Spannung am Kern anliegt), könnte man also locker mal 1kVeff@50Ω drüberblasen. Das sind mal eben 20kW. Wenn man noch ein paar Windungen mehr spendiert, ginge da noch mehr. Selbst wenn die Sättigungsflußdichte bei hohen Frequenzen etwas abnimmt, ist da immer noch viel Reserve.
Achja: Für VItroperm500 kriegt man B-H-Kurven und damit auch Sättigungsflussdichten.

Was ich eigentlich schreiben wollte:
Neben dem obligatorischen "Warum zum Henker nehmt ihr Eisenpulverkerne?!" noch ein Hinweis zu Transmissionsmessungen:
Der NanoVNA ist da relativ gutmütig, aber mindestens eine nahezu unbedeutende Münchener Messgerätebude kriegt es seit bald 30 Jahren nicht hin, die Ports ihrer Networkanalyzer im Bereich niedriger Frequenzen vernünftig anzupassen. Ich gehe davon aus, dass andere Hersteller es nicht deutlich besser können, aber mit R&S arbeite ich halt täglich.
Durch eine kunstvolle Kompensationswicklung bleibt die Richtschärfe erhalten, der Richtkoppler funktioniert also bis zur spezifizierten unteren Grenzfrequenz ganz ordentlich. Leider hat die Impedanz aber nicht mehr viel mit 50Ω zu tun. Wenn man also im LW/MW/KW-Bereich misst, misst man die Transmission in einem System der Impedanz, die der Port am Analyzer tatsächlich hat. Die Resultate sind manchmal eher so mediumsinnvoll, in einigen Fällen sind am unteren Ende mehrere dB Abweichung drin. Ein Satz 10dB-Dämpfungsglieder hilft, das SWR der Ports mit der Brechstange auf sinnvolle Werte zu bringen. Dann kann man natürlich nicht mehr Reflexion und Transmission in einem Durchgang messen.
Es macht also tatsächlich Sinn Port 1-10dB-Balun-10dB-Balun-10dB-Port 2 zu messen.
Der NanoVNA ist mit seiner resistiven Brücke von diesem Problem prinzipiell nicht betroffen.
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Harry02
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Re: HF-Übertragermessungen mit dem (Nano) VNA

Beitrag von Harry02 »

Durango hat geschrieben: Fr 2. Okt 2020, 23:24 Hier sehen wir 4 unterschiedliche Erfahrungsberichte, was ist die eigentliche Frage ?
Es gibt keine Frage, es sind wirklich nur 4 Erfahrungsberichte. ;) Aber du kannst hier gerne auch Erfahrungsberichte posten, was man wie gut messen kann.

Ich wollte das nur mal zeigen und zur Diskussion stellen, für die Leute, die den NanoVNA noch nicht kennen oder bisher nur Baluns nach Anleitung gewickelt, aber nie vermessen haben, oder überlegen für Multibandantennen eine teure MFJ SWR-Brücke oder sowas antikes anzuschaffen.

@ferdi: Danke für die interessanten Ausführungen zum Messen im unteren Frequenzbereich (und zur Sättigung).
Wer auf die Idee kam, mit Eisenpulverkernen alle möglichen Baluns zu wickeln, weiß ich nicht, ich bin jedenfalls anfangs auf die kursierenden Bauvorschläge reingefallen. In einem begrenzten Frequenzbereich funktioniert es ja.
In dem Fall wollte ich einfach mit der 1:4 Wicklung den vermuteten bzw. offensichtlichen Fake T68-2 zum Original vergleichen, und weil ich eh schon dabei war, direkt nochmal mit Ferrit getestet.
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Bastelbruder
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Re: HF-Übertragermessungen mit dem (Nano) VNA

Beitrag von Bastelbruder »

Auf die Idee, mit Eisenpulverkernen Übertrager zu wickeln, kamen Funkamateure. Und Bill Amidon als eifriger Kaufmann hat das fast zwangsweise nicht nur in seinem (Hand-)Buch abgedruckt, Er verkauft seither sogar "erprobte" Bausätze. Und die Glaubensgemeinde teilt sich weiterhin in zwei Lager. Mit der übertragbaren Leistung ist das doch ganz einfach: Wie groß wären Transistorendstufen wenn es nur Eisenpulverkerne gäbe?

Daß magnetische Transformatoren mit niedrigeren Frequenzen größeren Bandbreiten Probleme haben, hindert "unbedeutende Münchener Messgerätebuden" :lol: natürlich nicht, solche trotzdem zu verwenden. Der bekannte HF-Bastler Charles Wenzel hat deshalb den induktionsfreien Zirkulator erfunden, der geht auch noch mit Gleichstrom und könnte diverse meßtechnische Probleme vielleicht besser lösen.
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Fritzler
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Re: HF-Übertragermessungen mit dem (Nano) VNA

Beitrag von Fritzler »

Operating above
maximum ratings is not recommended.
A better choice would be to select a
faster, more powerful op-amp (or use
sockets).
Wie geil! :lol:
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ferdimh
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Re: HF-Übertragermessungen mit dem (Nano) VNA

Beitrag von ferdimh »

Der bekannte HF-Bastler Charles Wenzel hat deshalb den induktionsfreien Zirkulator erfunden, der geht auch noch mit Gleichstrom und könnte diverse meßtechnische Probleme vielleicht besser lösen.
Das Konstrukt hat den Nachteil, dass es halt in einem Analyzer bis 4 GHz völlig untergeht, weil es auf den letzten zwei Frequenzdekaden nicht mehr gescheit funktioniert. Und eigentlich will man ja nach oben noch ne Null mehr...
Wenn es nur um Verhältnisbetrachtung geht, kann man den sogar noch deutlich weiter zusammenstreichen und kommt mit einem Opamp aus (haben wir in der Firma im Einsatz, wenn wir über die magischen Grenzen zwischen "Niederfrequenz" und "Hochfrequenz", die irgendwo zwischen 9 kHz und 1MHz liegen. hinweg messen müssen).
Wenn man das Ding noch mit einem magnetischen Koppler für hohe Frequenzen verheiratet, könnte da aber was gehen... Da müsste ich mal gucken, ob man da einen ZVR passend umbasteln kann...
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tschäikäi
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Re: HF-Übertragermessungen mit dem (Nano) VNA

Beitrag von tschäikäi »

Ohne dass ich jetzt alles gelesen habe oder mich mit der Thematik auskenne...
Ein von mir sehr geschätzter Youtuber hat sich näher mit dem NanoVNA beschäftigt.
Für die, die es erst in ein paar Jahren aufrufen: Video #312 bis #318
https://www.youtube.com/user/w2aew/videos

Gruß Julian
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