Umrüstung Mikroskop von Okular auf Kamera

Der chaotische Hauptfaden

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caprivi
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Re: Umrüstung Mikroskop von Okular auf Kamera

Beitrag von caprivi »

j.o.e hat geschrieben: Mi 23. Jun 2021, 11:00
Harley hat geschrieben: Di 16. Feb 2021, 16:40 Da kaufst Du Dir einfach Sowas:

https://www.amazon.de/Industriemikrosko ... 07&sr=8-27

Das Teil hat 37 Megapixel.

Ich hab die Kamera auch, bin begeistert. Ist ne ganz andere Liga ...
Müsste man mal nachrechnen, ob das hin haut mit Apertur und Auflösungsvermögen ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Numerische_Apertur zeigt wie's geht.
Ja. 37 MP (also echte, ohne Subpixel gerechnet) lastet man auch mit einem High-End-Mikroskop nicht aus.

Erst mal: Wenn auf dem Objektiv die N.A. nicht mit drauf steht, ist sie vermutlich so schlecht, dass es sich nicht lohnt, damit anzugeben. Die Objektivvergrösserung ist entgegen landläufiger Meinung keinerlei Qualitätskriterium für ein Objektiv.

Die zweite interessante Angabe wäre der Zwischenbilddurchmesser, also das, was man sieht, wenn man das Okular herauszieht und an dessen Stelle ein Stück Butterbrotpapier bringt. Dort sieht man das Bild, das von Objektiv (und Tubuslinse) produziert wird. Jetzt kann man sich diesen Zwischenbilddurchmesser nehmen und durch die Massstabszahl teilen und erhält den Objektfelddurchmesser. Den durch das Auflösungsvermögen geteilt ergibt die maximale Auflösung, die das Objektiv leistet.

Mal am Beispiel gerechnet: Ein mittelgutes Objektiv mit 10facher Vergrösserung und einer Numerischen Apertur von 0,25 sowie einem Zwischenbilddurchmesser von 16 mm hat im Objektraum einen Durchmesser von 16 mm / 10 = 1,6 mm. Mit einer N.A. von 0,25 komme ich mit Abbe und grünem Licht auf d = 550 nm / (2 * 0,25) also auf 1,1 µm Auflösung. Wenn ich meine 1,6 mm Objektfeld durch 1,1 µm teile, ergibt das auf einer Achse 1600 / 1,1 = 1.450 voneinander unterscheidbare Details. Die Kollegen Shannon und Nyquist wollen da gerne noch einen Faktor 2 für die Abtastung sehen, also wären das dann 2.900 x 2.900 Pixel, was so ungefähr 8,5 Megapixel sind.

Bei einem sehr guten Mikroskop, sagen wir einem 10x/0,4 Objektiv und einem 23er Feld kann man das noch mal rechnen und kommt auf 2,3 mm Objektfeld, 0,69 µm Auflösung und eine mögliche Kamera von in der Tat 6.600 x 6.600 Pixeln. Die sind aber wiederum selten. Denn wenn man 36 Megapixel in die Größe des Zwischenbildes pressen will (das Okular ist nur die Krücke fürs Auge und trägt nicht weiter zur Auflösung bei), werden die einzelnen Pixel so klein, dass das Signal-Rausch-Verhältnis nicht mehr wirklich Sinn ergibt: 23 mm / 6600 sind nur noch 3,4 µm Pixel-Kantenlänge. Es passen aber nicht beliebig viele Photoelektronen auf die Pixel-Fläche, wohingegen das Ausleserauschen ungefähr konstant bleibt. Wenn ich jedoch das Zwischenbild mit Optik nachvergrößere, wird zwar die Pixelgröße besser, aber die Chipgröße nimmt zu, und dann gibt es ein Ausbeuteproblem und einen überproportional steigenden Anschaffungspreis.

Paradoxerweise ist die Anforderung an viele Kamerapixel bei kleinen Maßstabszahlen höher. Rechnet man mit einem guten 100x/0,9 Objektiv und einem 23er Feld, kommen bei gleicher Rechnung etwa 0,3 µm Auflösung bei einem Objektfeld von 230 µm heraus, und die erforderliche Kameraauflösung schrumpft auf 230 µm / 0,3 µm = 770 Pixel; mal Nyquist-Faktor von 2 also 1440 x 1440 oder gerademal 2 Megapixel. Deswegen haben die üblichen Mikroskopkameras meist Auflösungen in einstelligen Megapixelbereich, dafür aber mit großen, rauscharmen Pixeln.

Es lohnt also immer, das vorhandene Budget in die Objektive zu stecken, und nur dort hinein. Eine 12 Megapixel-Kamera hat heute jedes etwas bessere Smartphone, Adapter kann man sich basteln.
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Old-Papa
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Re: Umrüstung Mikroskop von Okular auf Kamera

Beitrag von Old-Papa »

caprivi hat geschrieben: Mi 23. Jun 2021, 16:45 ....
Es lohnt also immer, das vorhandene Budget in die Objektive zu stecken, und nur dort hinein. Eine 12 Megapixel-Kamera hat heute jedes etwas bessere Smartphone, Adapter kann man sich basteln.
Ein Smartfon hate eine jämmerliche Verzerrung! Je dichter dran, desto mehr wird alles zur Fischaugenoptik! GoPro und Co. sind auch nicht viel besser. Wenn das nicht stört, dann bitte. Doch man bekommt damit keine reale Abbildung
hin.

Old-Papa
Blechei
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Re: Umrüstung Mikroskop von Okular auf Kamera

Beitrag von Blechei »

Habe mal etwas in der Mikroskopierbibel gelesen, ich wußte garnicht wie doof ich bin.
Und habe deshalb vor Schreck mal bei Bresser ne Cam (217.-- +Mwst), eine zugehörige
Reduzierlinse (97.-- +Mwst) und einen Mikroskalierer (33.-- +Mwst) bestellt. Die zugehörige
Software soll messen können. Na, mal sehen. BTW: Der Bresser Service ist 1a und superschnell und
auch nach über 3 Monaten ist die Anfrage noch auffindbar. Ach ja, Lieferung auf Rechnung.
Wenns da und montiert ist werde ich berichten.
caprivi
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Re: Umrüstung Mikroskop von Okular auf Kamera

Beitrag von caprivi »

Old-Papa hat geschrieben: Mi 23. Jun 2021, 18:57
caprivi hat geschrieben: Mi 23. Jun 2021, 16:45 ....
Es lohnt also immer, das vorhandene Budget in die Objektive zu stecken, und nur dort hinein. Eine 12 Megapixel-Kamera hat heute jedes etwas bessere Smartphone, Adapter kann man sich basteln.
Ein Smartfon hate eine jämmerliche Verzerrung! Je dichter dran, desto mehr wird alles zur Fischaugenoptik! GoPro und Co. sind auch nicht viel besser. Wenn das nicht stört, dann bitte. Doch man bekommt damit keine reale Abbildung hin.

Old-Papa
Och, so schlimm ist das nicht. Hier mal freihändig (!) mit dem iPhone durchs Okular eines Stereomikroskoos fotografiert. Es gibt eine leichte Kissenverzerrung, die vermutlich um so größer wird, je fischaugiger das Handyobjektiv arbeitet. Letztlich ist das ja auch nicht füreinander gerechnet.
678544D8-21FA-4CF9-AF0B-E6BE9F198FBA.jpeg
Ich hab hier standardmäßig kein Handy, sondern eine alte, rauschige Spiegelreflex dran. Sowas bekommt man auch für wenig Geld bei den Kleinziegen.
sysconsol
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Re: Umrüstung Mikroskop von Okular auf Kamera

Beitrag von sysconsol »

Bessere Kameras (und ggf. Bilderkennungssysteme) korrigieren die Verzerrung ihrer Optik selbst.

Das gezeigte Foto sollte sich dazu eignen.
Man muss der Software nur noch sagen, dass die Linien gerade sind.
Von IDS Imaging hatte ich da mal Python-Code in der Hand, der eine solche Korrektur vornimmt.

Man könnte also jedes Foto nachträglich korrigieren, wenn man die Optik einmal "angelernt" hat.
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Old-Papa
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Re: Umrüstung Mikroskop von Okular auf Kamera

Beitrag von Old-Papa »

sysconsol hat geschrieben: Do 24. Jun 2021, 18:51 Bessere Kameras (und ggf. Bilderkennungssysteme) korrigieren die Verzerrung ihrer Optik selbst.

Das gezeigte Foto sollte sich dazu eignen.
Man muss der Software nur noch sagen, dass die Linien gerade sind.
Von IDS Imaging hatte ich da mal Python-Code in der Hand, der eine solche Korrektur vornimmt.

Aber ein handelsübliches Smartfone macht das noch nicht.
sysconsol hat geschrieben: Do 24. Jun 2021, 18:51
Man könnte also jedes Foto nachträglich korrigieren, wenn man die Optik einmal "angelernt" hat.
Nicht nur "könnte" solche Programme gibt es schon lange. Ich nutze für architektonische Fotos "ShiftN" um einstürzende Mauern etwas zu begradigen. Und in "Lightroom" (ich nutze Version 6) sind schon viele Objektive der großen Kamerahersteller mit ihren Daten gespeichert um automatisch zu korrigieren.
Doch wie geschrieben, im normalen Smartfone eben nicht... :mrgreen:

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ch_ris
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Re: Umrüstung Mikroskop von Okular auf Kamera

Beitrag von ch_ris »

Ja eben. Ich mach das auch weil ich Maße von Fotos abnehmen/annehmen muss.
Aber halt nur da wo es sein muss, wegen fehlender Langeweile.
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Re: Umrüstung Mikroskop von Okular auf Kamera

Beitrag von sysconsol »

Wir reden von leicht verschiedenen Dingen.
Old-Papa hat geschrieben: Do 24. Jun 2021, 23:43
sysconsol hat geschrieben: Do 24. Jun 2021, 18:51 Bessere Kameras (und ggf. Bilderkennungssysteme) korrigieren die Verzerrung ihrer Optik selbst.

Aber ein handelsübliches Smartfone macht das noch nicht.
Doch.
Aber nur für die eingebaute Optik.
Die externe kennt es ja nicht ;)
Old-Papa hat geschrieben: Do 24. Jun 2021, 23:43
sysconsol hat geschrieben: Do 24. Jun 2021, 18:51
Man könnte also jedes Foto nachträglich korrigieren, wenn man die Optik einmal "angelernt" hat.
Nicht nur "könnte" solche Programme gibt es schon lange. Ich nutze für architektonische Fotos "ShiftN" um einstürzende Mauern etwas zu begradigen. Und in "Lightroom" (ich nutze Version 6) sind schon viele Objektive der großen Kamerahersteller mit ihren Daten gespeichert um automatisch zu korrigieren.
ShiftN versucht nur, Linien als "wie sie sein müssten" zu erkennen und hinzubiegen.
Das funktioniert mehr oder weniger.
Nun fotografiere mal ein Insekt durch ein Mikroskop und setze ShiftN (oder ähnliche Software) darauf an.

Da ist es von Vorteil, einen Korrekturdatensatz zu haben.
Man muss also nicht aus dem aktuellen Bild (Insekt) versuchen, die Verzerrung zu interpretieren.
Sondern nimmt einfach den Korrekturdatensatz vom Referenzbild (das Gitter) und wendet ihn an.
Solange man an der Optik nichts verändert hat.


Software wie Lightroom sollte doch auch in der Lage sein, Korrekturdaten für Optiken zu erstellen.
Damit müssten solche Korrekturen doch auch für "einfache Anwender" automatisiert machbar sein.
caprivi
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Re: Umrüstung Mikroskop von Okular auf Kamera

Beitrag von caprivi »

Man kann stürzende Linien auch in Gimp korrigieren. Kissenverzerrungen habe ich noch nicht versucht.

Die Diskussion begann eigentlich damit, dass ich vorschlug, nicht übermässig viel Geld in eine Super-Duper-Kamera zu stecken, weil das, was das Objektiv nicht sieht, später nicht hinzugefügt werden kann (das ist wie bei Empfängern und Antennen).

Die erwähnte Handykamera war ein Platzhalter für "irgendwas Billiges, das jeder rumliegen hat". Eine EOS450D bekommt man bei Kleinanzeigen für unter 100 Euro. Es gibt auch Mikroskopadapter für diese (zumindest in meinem Dunstkreis) aus Hühnersuppengründen dutzendweise nutzlos rumliegenden Lumix- etc. Kompaktkameras.
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Old-Papa
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Re: Umrüstung Mikroskop von Okular auf Kamera

Beitrag von Old-Papa »

sysconsol hat geschrieben: Fr 25. Jun 2021, 07:40 Wir reden von leicht verschiedenen Dingen.
....
Doch.
Aber nur für die eingebaute Optik.
Die externe kennt es ja nicht ;)
Meine, eine Sam. S6 korrigiert da garnichts, das fällt vor allem bei Technikfotos auf (alle Platinen haben einen Bauch).
sysconsol hat geschrieben: Fr 25. Jun 2021, 07:40 ShiftN versucht nur, Linien als "wie sie sein müssten" zu erkennen und hinzubiegen.
Das funktioniert mehr oder weniger.
Nun fotografiere mal ein Insekt durch ein Mikroskop und setze ShiftN (oder ähnliche Software) darauf an.
ShitfN ist ja dafür auch nicht gedacht, darum schrieb ich "Architekturfotos"! Und diese kann es fast perfekt.
Obwohl, wenn die Häuser völlig gerade stehen, sieht auch unnatürlich aus. :lol:
Doch auch Technikfotos kann man damit einigermaßen entzerren.
sysconsol hat geschrieben: Fr 25. Jun 2021, 07:40 Da ist es von Vorteil, einen Korrekturdatensatz zu haben.
Man muss also nicht aus dem aktuellen Bild (Insekt) versuchen, die Verzerrung zu interpretieren.
Sondern nimmt einfach den Korrekturdatensatz vom Referenzbild (das Gitter) und wendet ihn an.
Solange man an der Optik nichts verändert hat.
Na dann fotografiere mal ein Gitter mit deinem Smartfone... :mrgreen:
sysconsol hat geschrieben: Fr 25. Jun 2021, 07:40 Software wie Lightroom sollte doch auch in der Lage sein, Korrekturdaten für Optiken zu erstellen.
Damit müssten solche Korrekturen doch auch für "einfache Anwender" automatisiert machbar sein.
Gespeichert sind viele, erstellt habe ich noch nicht. Ob das geht, habe ich nie untersucht. Ich korrigiere eh lieber komplett händisch.

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