Knallfunkensender Artefakt - symmetrischer Aufbau wofür?

Der chaotische Hauptfaden

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Harry02
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Knallfunkensender Artefakt - symmetrischer Aufbau wofür?

Beitrag von Harry02 »

Moin,

Ich habe vor einiger Zeit ein merkwürdiges Konstrukt aufgetrieben, welches aus zwei luftgekühlen Knallfunkenstrecken (in Serie) an einem LC Netzwerk besteht.
_20230513_203700.JPG
Das ganze wirkt etwas zusammengebastelt, deshalb:
Erste Frage: Hat jemand solche Strecken schonmal in einem Sender oder woanders gesehen, wo gehören die ursprünglich rein? Oder ist das Brett gar "original"?
_20230718_005221.JPG
(Hinter den weißen Flächen stehen Bauteile die nicht dabei waren)

Hier sieht man die Glimmer-Cs besser, an welchen leider auch kein Hersteller ersichtlich ist.
_20230718_005244.JPG

Zweite Frage, kann sich jemand einen Reim auf die Schaltung machen, habt ihr sowas schonmal gesehen?
_20230718_001905.JPG
Der Mittelpunkt der Funkenstrecken sowie der Kondensatoren weist keine Spuren einer Mittelpunkterdung an der Stelle auf.

Zwei so spezielle Einzel-Funkenstrecken in Reihe zu schalten macht für mich keinen Sinn, dann nimmt man doch gleich eine Löschfunkenstrecke. So ist es nichts Halbes und nichts Ganzes.

Die Spule ist ungewöhnlich schlecht, normalerweise wurde Kupferband für die Luftspulen verwendet und kein Spulenkörper aus Vollmaterial (Plaste-ähnlich). Ob das mehr eine Pulse-Forming-Spule als eine Resonanzspule ist?

Warum die Kapazitäten so aufgeteilt sind, erschließt sich mir auch nicht ganz, da könnte ausgeklügelte Vodoo am Werk sein (Impedanztransformation, Oberwellenunterdrückung zusammen mit den 4,5Wdg 3cm OD&L Spulen), oder es war nur ein Experiment eines Bastlers. Ob das einer Betrachtung per Simulation standhält...?
Die Hauptkapazität entlädt sich über die kleinen Spulen!?

Wenn sich keine Hinweise auf ein historisches Vorbild finden lassen, kann ich das Gebilde guten Gewissens umstricken.
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MatthiasK
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Re: Knallfunkensender Artefakt - symmetrischer Aufbau wofür?

Beitrag von MatthiasK »

Vielleicht stammt der noch aus der Zeit vor Erfindung der Löschfunkenstrecke. Die zweite Funkentrecke ist zum schnelleren Löschen.
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ferdimh
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Re: Knallfunkensender Artefakt - symmetrischer Aufbau wofür?

Beitrag von ferdimh »

Ich habe das Gefühl, so ein ähnliches Schaltbild schon mal gesehen zu haben.

Die kleinen Spulen verlangsamen den Stromanstieg in der Funkenstrecke. Das kann (in Maßen) hilfreich sein, dass der volle Strom erst fließt, wenn die Funkenstrecke auch durchionisiert (und damit niederohmig) ist. Oberwellen entstehen bei einem Funkensender nicht in dem Sinne, da der Schwingkreis ja theoretisch "harmonisch" schwingt. Es entstehen nur Nebenwellen mit dem Abstand der Anregungsfrequenz (man könnte das jetzt auch übertragen und sagen, der Transistorsender macht ebenfalls Nebenwellen mit dem Abstand der Anregungsfrequenz, nur ist diese zufällig die Sendefrequenz).

Es könnte auch sein, dass die Spulen genauso abgestimmt sind, dass fres (Funkenstrecke kurzgeschlossen) und fres (Funkenstrecke offen) zusammenfallen.
Hast du mal überlegt, das Kunstwerk (mit einem Schalter als Funkenstreckenersatz) in SPICE zu hacken und zu gucken was passiert?
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Harry02
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Re: Knallfunkensender Artefakt - symmetrischer Aufbau wofür?

Beitrag von Harry02 »

Ja, das mit dem Stromanstieg und dem Zusammenfallen der Resonanzfrequenzen dachte ich mir auch...
Die 4,5Wdg dürften etwa zweimal 0,2..0,3µH haben, was bei 8nF um die 2-3MHz sind.

Der "zweite Kreis" schiebt erst Strom, wenn der erste schon die meiste Energie reingeschoben hat, so vom Gefühl her.

Könnte auch die Spulenkopplung ersetzen: Normalerweise wird der Kopplungsfaktor wohl so eingestellt, dass die Funkenstrecke erloschen ist, wenn "die Energie vom Antennenkreis in den Primärkreis zurückschwingen will".

"Oberwellen": Ja, eben einfach um den Stromanstieg zu begrenzen, bzw. um zu verhindern, dass die Funkenstrecke selbst ein allzu guter VHF-Strahler/Resonator wird (wobei sich wohl niemand explizit um VHF gesorgt hat, sondern allgemein um Schmalbandigkeit).

Spice benutze ich nie... Das gibt ne größere Aktion. Auf dem Treffen dann vermutlich mal runterladen und mit herumspielen.

Dass das Gerät vor 1905 gebaut wurde, halte ich für eher unwahrscheinlich. Die Funkenstrecken erscheinen mir ein recht ausgereiftes Serienprodukt zu sein. Um 1900 würde ich auch eher Flaschen statt Glimmer erwarten. Und bis jetzt fehlt ein historisches Vorbild.
winnman
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Re: Knallfunkensender Artefakt - symmetrischer Aufbau wofür?

Beitrag von winnman »

So wie du das gezeichnet hast erinnert mich das eher an einen Überspannungsschutz für Freileitungen.

Die Funktenstrecken wären dann das Spannungsbegrenzende Modul.

Das Ganze ev. noch als Labor oder Schulungsmodell.
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MatthiasK
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Re: Knallfunkensender Artefakt - symmetrischer Aufbau wofür?

Beitrag von MatthiasK »

Ich habe mal deinen Schaltplan in LTSpice nachgebaut. Als Antenne habe ich eine Hühnerleiter mit 800 Öhmern simuliert. Das ist etwas hochohmig, aber die Antenne hat gar keinen so großen Einfluss. Die kleinen Spulen habe ich auf 30x35mm geschätzt.
Knallsender.png
Ich komme auf eine Resonanzfrequenz von ca. 2,1MHz. Da alle Frequenzen über 1,8MHz Amateuerfunkfrequenzen sind (zumindest war das vor 100 Jahren so), könnte es sich um einen alten Amateuerfunksender handeln.
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ferdimh
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Re: Knallfunkensender Artefakt - symmetrischer Aufbau wofür?

Beitrag von ferdimh »

Bist du dir mit den 1,2MILLIhenry sicher?

So ist der 2. Kreis völlig verstimmt und unwirksam.

Auf dem Zettel war die Resonanzfrequenz des "großen" Kreises zu ca. 650 kHz bestimmt worden.
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Harry02
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Re: Knallfunkensender Artefakt - symmetrischer Aufbau wofür?

Beitrag von Harry02 »

Die Datei wäre interessant gewesen... ich komm damit nicht so schnell klar. Hab jetzt eh keine Zeit mehr vor dem Treffen.
Das funktioniert bei mir nicht:

Code: Alles auswählen

Insert the symbol for the voltage-controlled switch in your schematic (press F2 and type “sw” in the search field of the symbol library).
Insert a SPICE directive (press S) and define the SW model’s parameters using this example:
.model MYSW SW(Ron=1 Roff=1Meg Vt=.5 Vh=-.4)
where “MYSW” is the unique model name, Ron and Roff are the on and off resistances and Vt and Vh are the trip and hysteresis voltages. The switch trips at (Vt − Vh) and (Vt + Vh).
Assign the MYSW model to the switch symbol S1: right-click “SW” and enter the unique model name, “MYSW”.
Ich habe die beiden kleinen Spulen in Reihe mitsamt ihren langen Anschlussdrähten direkt ans R&S LARU geklemmt und lese auf der Skala 0,575µH ab.
Die große Spule ist noch verschollen... Sonst hätte ich einfach mal ein Relais (statt Funkenstrecke) und ein Oszi an das Konstrukt gehängt. Mit 658kHz komme ich auf 29µH.
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MatthiasK
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Re: Knallfunkensender Artefakt - symmetrischer Aufbau wofür?

Beitrag von MatthiasK »

Kannst du einen Schlepptop mit halbwegs aktuellem LTSpice mitbringen? Dann kann ich dir vielleicht noch ein paar Sachen zeigen, auch wie man die Schalter modelliert.
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