Der Hochfrequenz-Transformator

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Beim 14er Treffen wurde offensichtlich, daß es allgemein an Wissen und Praxis mangelt:

"Die Drähte müssen unbedingt verdrillt werden, wegen der Kopplung!" Es ging um die Ein- und Ausgangstransformatoren der 28-MHz-1-Watt-Endstufe für den Ballon.

Tatsächlich ist die Volksliteratur in dieser Hinsicht sehr spärlich, das Thema Magnetismus wird auf Grund der scheinbaren Kompliziertheit auch von Fachschullehrern auf das für Prüfungen Allernotwendigste reduziert. Zum weiteren Verständnis wichtig ist die Tatsache dass es einem Transformator egal ist ob die Wicklungen quer wie beim bekannten Netztrafo oder längs zur Übertragungsrichtung angeordnet sind. Die Kopplung ist bei niedrigen Frequenzen wie gewohnt rein magnetisch über den Kern und bei hohen Frequenzen wird sie im Leitungstransformator durch Wellen und Laufzeit ersetzt. Dazwischen ist ein schleichender Übergang, der mit den greifbaren Werten Streuinduktivität und Windungskapazität nur unzureichend beschrieben werden kann, dafür gibt es den bei allen Frequenzen gültigen Wellenwiderstand.

Was unterscheidet den HF-Trafo vom Netztrafo wie er in der Schulphysik gelehrt wird?

Ein Netztrafo hat keine miteinander verdrillten Wicklungen, aus Isolationsgründen werden die Wicklungen oft sogar in verschiedene Kammern verteilt, die manchmal auf unterschiedlichen Schenkeln des Eisenkerns aufgebracht sind. Der Wirkungsgrad solcher Transformatoren ist nahe 100%, zumindest bei den größeren Typen. Die Energieübertragung erfolgt rein magnetisch durch den Kern. Auch viele der vom Fernseher bekannten Zeilentransformatoren haben die Hochspannungswicklung weit von der Primärseite entfernt. Genau so der Hochspannungstrafo für die LCD-Hintergrundbeleuchtung, bei diesem Wandler wird interessanterweise bloß die Speisedrossel warm.

  • Die esoterische Röhrenverstärkergilde stellt fest dass als Ausgangsübertrager missbrauchte Netztrafos "muffig und verschnupft" klingen. In der Fachliteratur liest man dass die Wicklungen möglichst untereinander verschachtelt werden sollen um eine optimale Kopplung zu gewährleisten.
  • Funkamateure haben erfahren dass ein BalUn offenbar nur mit verdrillten Drähten funktioniert, "wegen der Kopplung" hat man ihnen erklärt.
  • Und seit es Schaltnetzteile gibt, werden Transformatoren außer mit den aus der 50-Hz-Technik vertrauten Werten auch nach Streu-Induktivität und (seltener) Wicklungs-Kapazität beurteilt.

Warum funktionieren Netztrafo, Zeilentrafo und andere Trafos ohne nennenswerte Einschränkungen, aber NF- und HF-Trafos offensichtlich nicht? Die Frequenzabhängigkeit suboptimal gebauter Transformatoren beinhaltet im Trafo tatsächlich kaum Verluste, vielmehr ist das Transformationsverhältnis nicht mehr gleich dem Verhältnis der Windungszahlen und das wirkt sich in Systemen wo mit Impedanzanpassung gearbeitet wird, dramatisch aus. Ein Netztrafo ist primärseitig immer mit annähernd Null Ohm abgeschlossen, seine Fehler werden mit ohmschen Verlusten hinreichend erklärt. Die erwähnten Zeilen- und Hochspannungstransformatoren sind tatsächlich resonante Schwingkreise, bloß von NF- und HF-Transformatoren wird erwartet dass sie Impedanzen über viele Oktaven fehlerfrei übertragen.

Der Funkamateur hat (meist nur) für die Prüfung ein weiteres Thema gelernt das uns hier weiterhilft und eine weitere Antwort gibt. Auf Antennen und Leitungen aller Art gibt es Wellen, die sind Resultat der endlichen Ausbreitungsgeschwindigkeit von Spannungs-und Stromänderungen. Das Thema wird mit dem Namen Leitungstheorie betitelt, obwohl es eigentlich Leitungspraxis heißen müsste. Der Strom tut nämlich genau das, was man von ihm erwartet.

Diese Wellen hat Ernst Lecher 1889 dazu verwendet, Frequenzen zu messen. Jeder Funkamateur sollte gelernt haben, dass eine HF-Leitung einen Wellenwiderstand hat, dass eine am einen Ende kurzgeschlossene Lambda-viertel-Leitung am anderen Ende hochohmig erscheint und dass das Produkt aus Ein- und Ausgangsimpedanz gleich dem Quadrat des Wellenwiderstands der Leitung ist. Der Extremfall ist praktisch, so braucht man auf hohen Frequenzen keine Drosseln zu wickeln, es reicht eine Leiterbahn beliebigen Wellenwiderstands mit λ/4 elektrischer Länge (der "Verkürzungsfaktor" wird hier zur Vereinfachung vernachlässigt, seine Wirkung ist hier zweitrangig). Das kann man auf jeder Mikrowellenplatine sehen. Mit dieser Erkenntnis lässt sich eine symmetrische Antenne mit unsymmetrischem Koaxkabel speisen ohne dass die Symmetrie beeinträchtigt wird. Man muss bloß den Kabelaußenleiter nach λ/4 mit der Masse verbinden. Dieser Trick wird seit seiner Wiederentdeckung Tonna-Speisung genannt.

1932 hat Felix Gerth zum Patent angemeldet, dass sich der nutzbare Frequenzbereich des spätestens seit der Zeppelinantenne bekannten λ/4-Symmetriewandlers (Bal-Un) nach unten erweitern lässt indem man die Leitung zu einer Spule aufwickelt. Und wenn man einen geeigneten Eisen- (gibts nicht, siehe unten) oder Ferritkern spendiert, geht das noch viel besser, Bandbreite ohne Ende. Der fortschrittliche Funkamateur sagt dazu Strombalun. Ein aufgewickeltes Koaxkabel mit und ohne Ferrit ist auch als Mantelwellendrossel bekannt.

Zur Erinnerung: Wir sind immer noch beim Transformator, bloß sind die beiden Wicklungen längs angeordnet.

1942 hat Gustav Guanella in der Schweiz die Idee dass sich die aufgewickelte Gerth-Leitung auch zur Impedanztransformation heranziehen lässt. Man schaltet beispielsweise zwei 100 Ohm-Leitungen auf der einen Seite parallel zu 50 Ohm und auf der anderen Seite in Serie zu 200 Ohm. Und wenn man die beiden Gerth-Drosseln auf verschiedene Kerne oder Schenkel einer Schweineschnauze wickelt, lässt sich damit gleichzeitig die Symmetrie auf beiden Seiten beliebig zuordnen. Das war die Geburtsstunde des Baluns mit den verdrillten Drähten. Der Wellenwiderstand der Leitung ist eine Funktion von Dielektrikum, Abstand und Drahtdurchmesser, er kann durch Verdrillen von Lackdraht zwischen 100 bis etwa 30 Ohm eingestellt werden, in der Anschlussbox von Fernsehantennen und in Tunern hat man auch 120 Ohm-Zwillingsleitung aufgewickelt. Dass der Wellenwiderstand an der Stelle irgendwie wichtig sein könnte, wurde den Amateuren aber nicht gesagt.

Wo liegen die Grenzen?

  • Wir verdoppeln die Frequenz und stellen fest dass der Trafo einen Kurzschluss hat. Egal (mit Einschränkungen) ob da Eisen drumrum ist oder nicht, egal ob der Draht gestreckt ist oder zur Spule gewickelt, λ/2 funktioniert nicht. Aber das ist die obere Grenze. Wer wickelt auch soviel Draht auf einen Trafo, bei 50 Hz 3000 km, bei 20 kHz 7,5 km, bei 3,5 MHz 43 m?
  • Die Impedanz der durch Eisen oder Ferrit verbesserten Spule muss auf der niedrigsten Frequenz mindestens drei- besser fünffach größer sein als der Wellenwiderstand oder die Abschlussimpedanz. Wenn die Drahtlänge kürzer ist als 1/20 der Wellenlänge (1/5 von λ/4) der höchsten Frequenz, ist es nicht mehr notwendig, die Drähte zu verdrillen, der Wellenwiderstand spielt dann auch keine Rolle mehr, es zählt nur noch die Qualität des magnetischen Materials.
  • Der Kern darf nicht in die Sättigung geraten. In dem Moment verringert sich die wirksame Induktivität, die Spannung wird begrenzt und es entstehen ungradzahlige Oberwellen und Intermodulationsprodukte. Beim Netztrafo fliegt die Sicherung.

Beispiele aus der Praxis:

  • Für den deutschen Radio-Netztrafo (50 Hz/220 V) gibt es eine Daumenregel zur Ermittlung der übertragbaren Leistung, die ist etwa gleich dem primären Blindstrom in mA. Eine kurze Überschlagsrechnung mit 220 W ergibt ein den Impedanzen entsprechendes Stromverhältnis von 1 A zu 220 mA - das ist Faktor 4,5 - passt!
  • Im Amiland gibt es den recht erfolgreichen Kaufmann Bill Amidon, der seit 1963 den Funkamateuren ermöglicht hat, an Kleinmengen der für Transformationszwecke weniger geeigneten Eisenpulver-Ringkerne der Firma MicroMetals zu kommen. Mit diesen "Amidon"-Kernen ist viel experimentiert worden, besonders hervorgehoben wurde die hohe Aussteuerbarkeit des Eisens, das erst bei der im Vergleich zu Ferrit etwa zehnfachen Feldstärke gemütlich in die Sättigung fährt. Es hat sich allerdings herausgestellt dass der durch den verteilten Luftspalt im Eisenpulverkern gewonnene Aussteuerungsvorteil durch die dramatisch verringerte Permeabilität und letztlich nutzbare geringe Impedanz-Bandbreite ein erheblicher Nachteil ist. Ein mit dem letzten Beispiel vergleichbarer und in der AFu-Literatur gern verwendeter Eisenpulverkern T400A-2 hat laut Katalog 360 µH pro 100 Windungen (die Ammis sind gut im Erfinden praktischer Maßeinheiten), das macht aber nur 36 nH pro Quadratwindung. Für die 22 µH werden jetzt 25 Windungen benötigt, dafür brauchen wir 180 cm Draht! Der so gewickelte BalUn wird oberhalb 10 MHz also nur dann richtig funktionieren wenn die zum Wellenwiderstand passende Verdrillung der Drähte einigermaßen eingehalten wird und der Kern wird bei 200 W auf 14 MHz richtig heiß. Die nutzbare Impedanz ist im oberen Frequenzbereich auf den Wellenwiderstand der aufgewickelten Transformationsleitung beschränkt und im Gegensatz zum Ferritring mit den zwei Angstwindungen ist auch unter 2 MHz keine wirkliche Reserve.
  • Ein IGOR-Antennentransformator für 1,8..30 MHz, gewickelt auf einem Ferritring mit 75 mm Außendurchmesser und 1,5 µH pro Quadratwindung braucht für die 50 Ohm-Wicklung 250 Ohm Impedanz entsprechend 22 µH, dafür werden ganze 4 Windungen benötigt und eine Drahtlänge von 30 cm, mal 20 gibt 6 m entsprechend 50 MHz - Verdrillen ist Quatsch, auch wenn man vorsichtshalber zwei Windungen mehr aufbringt um den möglichen Impedanzbereich zu vergrößern.
  • Erst viel später wurden Funkamateure darauf aufmerksam dass vergleichsweise preiswerte Ferritringe aus den Netzfiltern von Schaltnetzteilen viel besser abschneiden als die ursprünglich beworbenen Amidonkerne, inzwischen wird die mit einem (auch von Amidon vertriebenen) 38-mm-Ferritring FT150-K auf 1...40 MHz transformatorisch übertragbare Leistung mit bis zu 5 kW angegeben. Die gegenüber dem oben beschriebenen 75-mm-Kern unveränderten Wickeldaten legen nahe dass es auf Verdrillung nicht ankommt. Schön sieht die Bewicklung mit Flachkabel aus, im Kilowattbereich muß man aber auf hochwertige Isolation achten, da kommen nur noch Teflon und Kapton in die engere Wahl.

Die tatsächlichen Verluste eines Transformators setzen sich zusammen aus

  • Ohmschem Widerstand (multipliziert mit Skin- und Proximity-Effekt),
  • Ummagnetisierungsverlusten (die von der Hystereseschleife umschriebene Fläche multipliziert mit dem Kernvolumen) und
  • Wirbelstromverlusten (nur im Eisen, HF-Ferrite sind an den Korngrenzen relativ hochohmig, es gibt auch niederohmig leitende "Entstör"-Ferrite mit hohen Verlusten).

Daraus lässt sich folgern dass kleinere Kerne weniger Verluste bringen - in der Praxis wirkt sich das bei der Güte von Schwingkreisspulen aus, und das die übertragbare Leistung von Transformatoren aus Eisen und Ferrit [u]ohne Luftspalt[/u] durch die Kernsättigung beschränkt wird. Bei Eisenpulverkernen ist der Temperaturanstieg des Kerns der begrenzende Faktor, interessant ist das vor Allem bei Speicherdrosseln in Schaltwandlern.

Die eingangs erwähnten 28-MHz-Transformatoren mit 3×5 Windungen und einer gesamten Drahtlänge von 22 cm auf den 6×6×3 mm-Schweineschnauzen sind nach obiger Betrachtung rein magnetische und keine Wellen-gekoppelten Transformatoren, ein (allgemein planloses) Verdrillen der Drähte ist deshalb nicht notwendig. Allein zur Vereinfachung des Wickelns ist Verdrillen trotzdem oft sinnvoll. Die Verwendung farblich gekennzeichneter Drähte vereinfacht die Weiterverarbeitung. Es gibt immer noch sündhaft teuren Fädeldraht in 4 Farben, aber auch normaler Lackdraht in den hier benötigten Längen lässt sich mit einem Permanentmarker gut einfärben.